Grabschrift des Boethius

Grabschrift des Boethius auf seine erste Frau, Helpes
(ca. 510 n. Chr.)

Ich, die ich Elpes hieß, war ein sizilisch Kind,
Doch hat mein Ehgemahl mein Wohnhaus weit versetzet,
Ohn den mich weder Tag, noch Nacht, noch Stund ergötzet;
Der war mein Geist und Fleisch, wie recht Verliebte sind.
Dieweil denn er noch lebt, bin ich nicht ganz davon.
Mein größtes Seelenteil wird von mir übrig bleiben,
Mein Leichnam ruht, als fremd in diesen heilgen Läuben,
Und harrt, zum Zeugnis fort, auf Gottes Richterthron.
Niemand berühr mein Grab, es sei denn daß dabei
Mein Liebster seinen Leib zu meinem wolle fügen;
Daß wir zugleich allhier, wie vor im Bette liegen,
Und unser Staub verknüpft, wie unser Leben, sei.

Luicius Severinus Boethius von Rom
(übertragen von Melmont)